Der Landkreis Rottweil steht vor einer Richtungsentscheidung: Am 23. März 2026 wählt der Kreistag eine neuen Landrat. Nach 24 Jahren im Amt tritt Dr. Wolf-Rüdiger Michel nicht mehr an. Es scheint mehrere Interessierte gegeben zu haben. Zwei haben sich letztendlich offiziell beworben – und wurden am 1. Dezember im „Besonderen beschließenden Ausschuss zur Vorbereitung der Wahl der Landrätin/des Landrats“ als „geeignet“ bestätigt.
Kreis Rottweil. Mit Christoph Keckeisen (CDU) und Frank Bonath (FDP) bewerben sich zwei Kandidaten um das Amt des Landrats, die beide Verwaltungserfahrung, politische Gestaltungskraft und einen klaren Anspruch auf Führung mitbringen. Christoph Keckeisen ist Jurist und derzeit Erster Landesbeamter im Bodenseekreis. Frank Bonath ist Volkswirt und derzeit FDP-Landtagsabgeordneter in Stuttgart.
In einem umfangreichen Fragenkatalog haben beide für die NRWZ dargelegt, was sie motiviert, wie sie führen wollen und welche Schwerpunkte sie für die kommenden Jahre setzen würden.
Motivation und persönlicher Hintergrund
Beide Kandidaten verbindet der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zur Weiterentwicklung des Landkreises beizutragen. Christoph Keckeisen beschreibt den Landkreis als Region mit Stärke, Tradition und Zukunftspotenzial. Er sieht die Aufgabe des Landrats vor allem darin, gemeinsam mit Kreistag, Verwaltung und Kommunen die Chancen der kommenden Jahre zu gestalten und wirtschaftliche wie gesellschaftliche Stabilität zu sichern.
Frank Bonath betont hingegen den demokratischen Aspekt des Amtes. Ihn motiviert die Möglichkeit, konkret „etwas zu bewegen“ und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Der Landkreis Rottweil stehe durch seinen ländlichen Charakter und seine industrielle Prägung vor großen Umbrüchen, in denen er seinen Beitrag leisten wolle.
In ihrer Vorbereitung auf das Amt verweisen beide auf unterschiedliche, aber jeweils breite Erfahrungen: Keckeisen auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Führungskraft in der Verwaltung bis hin zum stellvertretenden Landrat, Bonath auf seine Praxis in Landes- und Kommunalpolitik sowie seine Arbeit an Schnittstellen von Verwaltung, Wirtschaft und Infrastruktur. Beide erwähnen ihre Familien ausdrücklich als wichtigen Rückhalt.
Arbeitsweise, Führungsstil und Verwaltung
In der Einschätzung der Beschreibung der eigenen Arbeitsweise durch andere zeigen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten. Keckeisen gibt an, er werde als klar, entscheidungsstark und lösungsorientiert beschrieben, mit einem Führungsstil auf Augenhöhe und einer starken Präsenz vor Ort. Bonath sagt, er werde als fokussiert, teamorientiert und fehlertolerant gesehen, der bewusst auf das Wissen vieler setze und Verantwortung übernehme.
Beim Verständnis moderner Verwaltung betonen beide Schnelligkeit, Bürgernähe und Digitalisierung. Keckeisen spricht von einer Verwaltung, die Lösungen ermöglicht und sich als Dienstleister versteht. Bonath legt den Schwerpunkt zusätzlich auf eine „radikale Vereinfachung“ von Abläufen, mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und eine stärkere Bündelung über Fachämter hinweg.
Die ersten 100 Tage im Amt
In den ersten 100 Tagen setzen beide Kandidaten klare, aber unterschiedliche Akzente. Keckeisen würde den Fokus zunächst auf Orientierung und Vernetzung legen: Gespräche mit Mitarbeitenden, Führungskräften und Personalrat, eine intensive kommunale Runde mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie den Aufbau eines regelmäßigen Dialogs mit Wirtschaft, Verbänden und Ehrenamt.
Bonath will ebenfalls bei den Mitarbeitenden beginnen, verbindet dies jedoch mit einer vertieften Analyse der Finanzlage. Als dritten Schritt nennt er eine Klausur mit dem Kreistag, um frühzeitig eine gemeinsame Vision, Prioritäten und ein verbindliches Arbeitsprogramm zu erarbeiten.
Finanzen und Prioritätensetzung
Angesichts knapper Kassen setzen beide auf Priorisierung. Keckeisen formuliert dies klassisch: Pflichtaufgaben zuerst, Investitionen dort, wo sie einen spürbaren Nutzen bringen, ergänzt um interkommunale Zusammenarbeit zur Nutzung von Synergien. Bonath setzt insbesondere bei Bildung und den Rahmenbedingungen für einen starken Wirtschaftsstandort an und sieht Digitalisierung und Kooperation als zentrale Hebel, um Aufgaben effizienter zu erfüllen.
Auch beim Führungsstil zeigen sich unterschiedliche Nuancen: Keckeisen beschreibt ihn als verbindlich, klar und partnerschaftlich mit dem Ziel tragfähiger Lösungen, Bonath legt den Schwerpunkt auf Sinnstiftung, persönliches Wachstum und Vielfalt als Quelle von Innovation.
Zukunftsthemen und Entwicklung des Landkreises
Bei der Frage nach den dringendsten Themen nennt Keckeisen vor allem wirtschaftliches Wachstum in Zeiten der Transformation, eine verlässliche Entwicklung der Kommunen, leistungsfähige Infrastruktur sowie Offenheit für neue Technologien. Er betont dabei die zentrale Rolle der Gemeinden als „Ort der Wirklichkeit“.
Bonath setzt andere Akzente: Medizinische Versorgung – insbesondere die Kinderarztversorgung –, Unterstützung der wirtschaftlichen Transformation und ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr mit Projekten wie Ringzug, Elektrifizierung und Tarifverbund.
Beide wollen den ländlichen Raum stärken, indem sie Infrastruktur, Unterstützung und Verlässlichkeit gewährleisten. In wirtschaftlicher Hinsicht sehen beide die größte Chance im starken Mittelstand und seiner Fähigkeit zur Transformation, flankiert durch schnelle Verfahren, geeignete Flächen und verlässliche Energieversorgung.
Die interkommunale Zusammenarbeit bewerten beide als zentral – Keckeisen vor allem sachlich-funktional über Kreisgrenzen hinweg, Bonath als strukturell notwendige Entwicklung öffentlicher Verwaltung insgesamt.
Junge Menschen, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Ehrenamt
Um junge Menschen im Landkreis zu halten oder zurückzugewinnen, nennen beide ähnliche Faktoren: gute Arbeits- und Ausbildungschancen, bezahlbaren Wohnraum, digitale Infrastruktur, Mobilität sowie Freizeit- und Kulturangebote. Bonath betont zusätzlich die Bedeutung familienfreundlicher Rahmenbedingungen.
Beim gesellschaftlichen Zusammenhalt sprechen beide von Begegnung als Schlüssel: Keckeisen hebt generationenübergreifende Projekte hervor, Bonath den aktiven Austausch in Vereinen, Schulen und öffentlichen Räumen. Beim Ehrenamt nennen beide Bürokratieabbau, Beratung, Anerkennung und Sichtbarkeit als wesentliche Stellschrauben.
Kulturelle Vielfalt bewerten beide Kandidaten als Bereicherung für Identität, Attraktivität und Lebensqualität im ländlichen Raum.
Erneuerbare Energien und persönliche Haltung
Beim Ausbau erneuerbarer Energien sehen beide den Landkreis in einer moderierenden und unterstützenden Rolle. Keckeisen betont Transparenz und Beteiligung, Bonath zusätzlich Koordination, Beschleunigung, Netzausbau und Speicherlösungen.
Verblüffend ist die Ähnlichkeit der Antwort des wichtigsten persönlichen Wertes: Da nennen beide „Verlässlichkeit“. Bei der Frage „Welche Entscheidung hat Sie zuletzt länger beschäftigt?“ geben beide an, dass die Entscheidung zur Kandidatur sie zuletzt stark beschäftigt habe. In ihrer Freizeitgestaltung hingegen unterscheiden sie sich: Keckeisen nennt Familie, Musik und Lesen, Bonath Zeit in der Natur.
Auf die abschließende Frage nach einem Wunsch für den Landkreis nennt Keckeisen eine flächendeckend starke digitale Infrastruktur, Bonath den zweigleisigen Ausbau der Gäubahn mit direkter Anbindung nach Stuttgart.
Fazit: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Christoph Keckeisen und Frank Bonath teilen zentrale Grundüberzeugungen: Verlässlichkeit, Bürgernähe, Digitalisierung, starke Kommunen und eine zukunftsfähige Wirtschaft. Unterschiede zeigen sich vor allem in den Schwerpunkten – Keckeisen stärker verwaltungs- und kommunalorientiert mit Fokus auf Stabilität und Ermöglichung, Bonath stärker politisch-strategisch ausgerichtet, mit Akzenten bei Finanzen, Gesundheit und Mobilität. Die Wahl treffen dürfen die Rottweiler Kreisrätinnen und Kreisräte. Sie haben es in der Hand zu entscheiden, wer dem Kreis Rottweil für die kommenden acht Jahre vorstehen darf.
Und wie sind die Chancen?
Die größere Chance, Landrat zu werden, hat derzeit klar Christoph Keckeisen. Für ihn haben sich öffentlich schon die Fraktionen der CDU und der Freien Wähler Vereinigung (FWV) ausgesprochen, während Frank Bonath bisher die Unterstützung der FDP sicher ist. Grüne/ÖDP, SPD und AfD haben sich noch nicht öffentlich für den einen oder anderen Kandidaten entschieden.
Die Stimmen von CDU und Freien Wählern würden aber reichen, um Keckeisen zum Landrat zu machen. Doch Gremienwahlen haben ihre eigenen Gesetze: Gewählt wird geheim, und so manch eine Fraktion stimmt nicht so geschlossen ab wie es vorab aussah. Ein prominentes Beispiel der jüngeren Zeit ist Friedrich Merz, der es erst im zweiten Anlauf zum Kanzler schaffte.
Kann es auch in Rottweil zu einem zweiten Wahlgang kommen?
Klare Antwort – ja, und sogar zu einem dritten. Am 23. März 2026 haben beide Kandidaten die Gelegenheit, sich dem Kreistag innerhalb von 15 Minuten vorzustellen. Danach gibt es eine Fragerunde, und dann wird gewählt. Gewonnen hat der Kandidat, der mehr als die Hälfte der Stimmen aller Kreistagsmitglieder, also Stand heute mindestens 24 Stimmen erhält.
Wenn keiner der beiden Kandidaten die erforderliche Anzahl an Stimmen bekommt, gibt es einen zweiten Wahlgang. Und wenn auch da die erforderlichen Stimmen für keinen der beiden zusammenkommen, gibt es einen dritten Wahlgang. In diesem reicht dann die einfache Mehrheit – der mit den meisten Stimmen gilt als gewählt. Sollte es Stimmengleichheit geben, entscheidet das Los.
Dieser Verlauf der Wahl hört sich äußerst unwahrscheinlich an, aber auch das passiert bei Gremienwahlen manchmal. Zuletzt bei der Wahl des heutigen Oberbürgermeisters von Rottweil Dr. Christian Ruf. Das geschah 2015 im Rottweiler Stadtrat bei seiner Wahl zum Ersten Beigeordneten der Stadt Rottweil.
